Die Doppelmoral des „Buchmarkt“

22. April 2013

Geht es ums Anprangern von Plagiatoren und Urheberrechts-Verstößen anderswo, ist das Fachmagazin „Buchmarkt“ immer vorne dabei. Im eigenen Hause gelten offensichtlich andere Standards.

Das wöchentlich monatlich in gedruckter Form erscheinende „Ideenmagazin für den Buchhandel“  berichtet seit jeher lang und breit über die Plagiats-Affären in der Buchbranche. Dem Netz im Allgemeinen steht man beim Buchmarkt eher reserviert gegenüber: So publiziert er in einer mehrteiligen Serie Auszüge aus dem kulturreaktionären Buch des Literaturwissenschaftlers Roland Reuß; es sei „abgewogen und doch leidenschaftlich argumentierend für die Kultur des Buches statt geifernd sich in Kommentarfunktionen austobend“.

Reuß schreibt in diesem vom Buchmarkt wiedergegebenen Auszug seines Buches unter anderem folgendes:

Neid, nicht der Impuls auf Verteilungsgerechtigkeit, liegt der Parole [Content-Industrie/Content-Mafia] in Wahrheit zugrunde. Gerade wer weiß, wie technisch und finanziell anspruchslos es ist, einen blog zu führen, hat ein scharfes Bewußtsein von der zusätzlichen Autorität, die den publizierten Worten durch einen Verlag zuwächst.

Seine „zusätzliche Autorität“ gegenüber meinem Blog lesen.net nutzt der Buchmarkt in diesem Fall für dreisten Copy-and-Paste-Journalismus.

lesen.net (19.04.) - Linkbuchmarkt.de (22.04.) - Link
Ein australischer Buchhändler (...) hat jetzt die “Kindle Amnestie” ausgerufen. Wer seinen Kindle im Laden abliefert und zeitgleich einen neuen E-Book-Reader kauft, kriegt 50 australische Dollar (40 Euro). In Australien hat die Buchhandlung pages & pages letzte Woche in einer Pressemitteilung die "Amazon Amnestie" ausgerufen (...) Wer seinen Kindle im Laden abliefert und zeitgleich einen neuen E-Book-Reader kauft, bekommt 50 australische Dollar (40 Euro).
Pages & Pages, nach eigenen Angaben einer der größten Buchhändler Sydneys, bringt in seiner Pressemitteilung zur Tauschaktion ganz ähnliche Argumente wie die hiesigen Buy-Local-Initiativen. Anders als Amazon beschäftige man lokale Mitarbeiter, unterstütze lokale Schulen, stärke die lokale Infrastruktur und bezahle Steuern in Australien.Mit ähnlichen Argumenten wie die der "Buy local" Bewegung macht pages&pages - einer der größten Buchhändler Sydneys - seine Kunden auf die Problematik aufmerksam. Denn der lokale Buchhandel - und nicht Amazon - biete lokalen Mitarbeitern Arbeit, er unterstütze die lokalen Schulen, stärke die lokale Infrastruktur und bezahle Steuern in Australien.
Als Alternative preist Pages & Pages seinen BeBook Touch an, einen offen WLAN-Reader mit Adobe-DRM-Support für epub- und pdf-Dateien (hat in Deutschland keinen namhaften Vertriebspartner). Wer sich das Gerät im Buchladen kauft (Kostenpunk: 180 australische Dollar, rund 140 Euro) und seinen Kindle zurücklässt, bekommt dafür einen 50-Dollar-Geschenkegutschein.Als Alternative bietet pages&pages seinen BeBook Touch an, einen offen WLAN-Reader mit Adobe-DRM-Support für epub- und pdf-Dateien. Wer sich das Gerät im Buchladen kauft (Kostenpunk: 180 australische Dollar, rund 140 Euro) und seinen Kindle zurücklässt, bekommt dafür einen 50-Dollar-Geschenkegutschein.

Der Redakteur hat sich nicht einmal die Mühe gemacht, zwei offensichtliche Rechtschreibfehler von mir zu korrigieren („Kostenpunk“ und „offen“ statt „offenen“, beide im dritten Abschnitt). Von wem der Artikel geschrieben wurde, ist nur zu erraten – eine Kennzeichnung der Autoren ist buchmarkt.de traditionell fremd.

Was tun als Blogger bei Copycats?

Ich habe mir die Veröffentlichung dieses Beitrags nicht leicht gemacht und ihn bewusst in meinem privaten Blog publiziert und nicht etwa auf meiner wesentlich reichweitenstärkeren Seite lesen.net.

Copycats sind für mich beruflich nichts Neues: Bei heise tauchte und taucht praktisch jeder meiner Artikel irgendwo anders im Netz auf (googelt zum Beispiel einmal Textpassagen aus meinem Roundup zur Leipziger Buchmesse) – aber während sich dort eine Rechtsabteilung um Copycats kümmert, habe ich als Blogger kaum eine Alternative zum Bloggen.

Ich will hier auch gar nicht konkret den Redakteur an den Pranger stellen, der den Artikel zu verantworten hat (einige Buchmarkt-Redakteure kenne und schätze ich von diversen Events). Es scheint mir die Folge des grundsätzlichen Problems, dass die Qualitätsstandards im vermeintlich professionellen Journalismus immerhin mehr heruntergefahren werden (Personalabbau, Redaktionszusammenlegungen), was zu Artikel-Mashups oder auch zur kaum veränderten Publikation von Pressemitteilungen führt (in den Branchenmedien sehr verbreitet). Gleichzeitig wird der Mythos des hochwertigen Verlagsjournalismus versus „unkontrollierter“ neuartiger Publikationsformen aufzubauen und hochzuhalten versucht – das klappt einfach nicht und äußert sich in solchen Artikeln.

19 responses to Die Doppelmoral des „Buchmarkt“

  1. Christian von Zittwitz 22. April 2013 at 14:58

    Lieber Herr Haupt,

    ach, wie Recht Sie haben; ich ärgere mich ja schon, wenn jemand BuchMarkt wie Sie ohne großes M in der Mitte schreibt, oder (wie wieder auch Sie) uns mit dem Buchreport verwechselt (der erscheint einmal wöchentlich, wir nicht, wie Sie be-haupt-en), durch dessen Twitter-Eintrag wir netterweise Ihre recht polemische Kolumne entdeckt haben..

    Ich teile Ihre Aufregung: Tatsächlich sind heute, der Sache wegen, ohne dass einer richtig hingeguckt habt, drei Passagen Ihrer Meldung von einer Volontärin bei uns übernommen worden, weil Ihre Übersetzung der Originalmeldung so schön griffig war.

    Zum Glück passiert uns das bei derzeit rd. 50.000 Meldungen, die wir bisher auf buchmarkt.de publiziert haben, recht selten und sollte es eigentlich gar nicht. Aber gleich von „Doppelmoral des Buchmarkt” zu sprechen…. wie schön, dass Sie bei Copy & Paste nicht in Versuchung kommen.

    Mit Respekt vor Ihrer Leistung entschuldige ich mich.

  2. Der letzte Satz hätte gereicht =) Wöchentlich/monatlich ist korrigiert.

    Ciao
    Johannes Haupt

  3. Der letzte Satz mag zwar alleinstehend ausreichen – im Kontext mit den vorhergehenden Absätzen ist er aber reichlich wertlos.

  4. … find ich auch: was für eine Nicht-Entschuldigung! Das ist ja noch ärgerlicher als sich nicht zu Wort zu melden.

  5. dot tilde dot 23. April 2013 at 10:18

    in meinem lesenden auge kam so viel süffisanz und gönnerhaftes belauern an, da habe ich den letzten satz gar nicht gelesen.

    sollte ich das nachholen, oder habe ich den wichtigen teil des kommentars von herrn z. bereits gelesen?

    .~.

  6. „Tatsächlich sind heute, der Sache wegen, ohne dass einer richtig hingeguckt habt,“-Flüchtige Lektüre passiert in diesem Büro wohl häufiger…

  7. „… drei Passagen Ihrer Meldung von einer Volontärin bei uns übernommen worden, weil Ihre Übersetzung der Originalmeldung so schön griffig war.“

    Ah so. Ich hatte schon befürchtet, der Hund von der Oma des Schwagers der Volontärin wäre unheilbar krank geworden, weshalb die Volontärin aus Zeit- und Leidensgründen ja praktisch gar nicht mehr anders gekonnt hätte, als zum Plagiat zu greifen.

    Ich bin natürlich froh, dass es dem Hund von der Oma des Schwagers der Volontärin gut geht. Der Hund von der Oma des Schwagers der Volontärin kann den Autor des plagiierten Texts auch bestimmt gut leiden, wo der doch so griffig „Originalmeldungen“ übersetzt, oder?

    Tja, aber nächstes Mal wird der BUCHMARKT die Originalmeldungen wohl selber von der Volontärin übersetzen lassen, trotz allem. Das haben Sie nun davon, Herr Haupt.

  8. Kein Drama, Herr von Zittwitz wollte sich eben auch mal geifernd in einer Kommentarfunktion austoben (vgl. Artikel) =)

    Ciao
    Johannes

  9. Christian von Zittwitz 23. April 2013 at 12:19

    Ich bin gerade darauf hingewiesen worden, dass sich hier weitere Kommentare ansammeln:

    Und nachdem ich die gelesen haben, bin ich doch etwas irritiert, dass ich nicht deutlicher geworden bin:

    Eine junge Kollegin hat einen Fehler gemacht – Sie reden (das ist in meinen Augen ehrenrührig) von „Doppelmoral“ eines „der BuchMarkt“ …. hier arbeiten Kolleginnen, die jeder für sich „ihre“ Moral haben – und ganz sicher gibt es keine Ansage von irgend jemand bei uns, sich über journalistische Kriterien, die unser aller Arbeitsbasis sind, hinwegzusetzen.

    Sie vergreifen sich nicht nur in der Verhältnismäßigkeit, sondern jetzt im Kommentar auch noch im Ton. „Herr von Zittwitz wollte sich nur mal g e i f e r n d…..“ – das finfe ich sogar noch beleidigend. Ich hoffe, Sie fühlen sich wohl dabei, ich nicht.

  10. Wer Fehler des anderen aufzeigt um von der eigenen Schuld abzulenken sollte zumindest beim gleichen Thema bleiben. Und wen man die unterste Schublade aufmacht und auf dem grossen „M“ herumreitet (wer will dasrf sich das gerne bildlich vorstellen), sollte man stat „ohne dass einer richtig hingeguckt habt“ wenigstens „ohne dass einer richtig hingeguckt hatt“ schreiben.

    Ich kann zum glück deutlich besser Lesen als Schreiben, wer Fehler findet darf sie gerne behalten.

  11. @Christian von Zittwitz Ich wollte Sie nicht beleidigen, habe hier lediglich 1:1 eine Phrase zitiert, mit der Sie / einer Ihrer Kollegen im Zusammenhang mit dem Reuß-Buch pauschal die Diskussionskultur im (Social) Web abwerten.
    Was die Tonalität der sonstigen Kommentare hier betrifft (sie erklären sich übrigens vor allem durch eine Erwähnung im BILDblog, die bereits eine vierstellige Besucherzahl auf diesen Artikel gespült hat) – die haben Sie sich wohl selbst zuzuschreiben mit ihrer „Entschuldigung“.

    Ciao
    Johannes

  12. Wenn man einen Fehler wie diesen gemacht hat…

    … gibt es zwei Optionen:

    a) man entschuldigt sich und bietet ein angemessenes Honorar an
    b) man ereifert sich über ein klein geschriebenes M und darüber, dass die anderen auch nicht besser seien und sowieso und überhaupt.

    Sehr schön auch die Feststellung, dass Plagiate beim „BuchMarkt“ (sic!) „recht selten“ passieren. Da bin ich natürlich beruhigt. Mir sind sie in 19 Jahren Berufspraxis noch nie passiert. Aber wer bin ich denn, ich hab ja nicht mal ein großes M im Namen.

  13. „Und nachdem ich die gelesen haben, bin ich doch etwas irritiert, dass ich nicht deutlicher geworden bin:“

    Apropos Deutlichkeit. Ist es nicht stilistisch fragwürdig und unsouverän, wenn ein Herausgeber auf den „Fehler“ einer „jungen Kollegin“ verweisen muss? Eine aufrichtige, schnörkellose und knappe Entschuldigung im Namen des Blattes, u.U. verbunden mit dem Angebot eines entsprechenden Honorars, hätte doch vollkommen genügt.

    Der Fall ist ja einigermaßen klar; da ist es gar nicht notwendig, die Außenwelt auch noch mit Interna des Hauses zu belasten. Und die „junge Kollegin“ profitiert von einem dezenten Hinweis ihres Chefredakteurs sicher mehr als von einer öffentlichen Schelte ihres Herausgebers, die – unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt – nach einer faulen, reichlich dreisten Ausrede klingt, nur unwesentlich glaubwürdiger als „Mein Hund hat’s gefressen“.

  14. Zunächst einmal ist es doch eher unfreiwillig komisch bis pedantisch, wenn ein Unternehmen, dem ein Fehler unterlaufen ist, zunächst auf der Schreibweise seines Markennamens herumreitet – zumal man Journalisten nicht zwingen kann / sollte derartig „kreative“ Schreibweisen zu übernehmen. Es gibt auch Firmen, die ihre Namen bewusst vollständig groß schreiben, damit sie online in Artikeln mehr auffallen. Auch das wird nicht überall so übernommen.

    Wenn man also hier, wie Herr von Zittwitz nun nach einem Fehler der Redaktion im ersten Auftritt erstmal selbst fleißig „um sich schlägt“ bzw. sich selbst nochmal auf die Schulter klopft, da man ja eigentlich so wenige Fehler mache, muss man sich über ein negatives Echo bestimmt nicht wundern. Simpel übersetzt sagt der Kommentar von Herr von Zittwitz nur:

    „Fassen Sie sich an die eigene Nase mit ihrem dreisten Rumgemecker – Sie übertreiben sowieso! BuchMarkt ist supertoll und da ist zwar was schiefgelaufen, aber eigentlich ist das egal, denn Sie machen ja selbst viel mehr falsch – ätsch! Ach ja: Entschuldigung trotzdem, auch wenn ich es nicht so meine.“ Die Ironie zwischen den Zeilen trieft jedenfalls vor Arroganz – sorry.

    Wenn man schon auf so einem hohen Ross sitzt, hätte man sich ja seinen Teil denken können und wenigstens in der Öffentlichkeit positiv mit einer Entschuldigung auftreten können – das wäre dann zwar unehrlich, aber wenigstens taktisch schlau gewesen.

    Ich hatte vorher nie etwas von BuchMarkt gehört…Jetzt bin ich froh drum :-).

  15. Any press is good press. Wobei das nur ein Mythos sein soll. Daher kann man in der bewusst nicht publikumsstark gewählten Ecke des Internets auch mal so lospoltern, wie man es dem Internet gern vorwirft. Als ich jung war sagte man mir, „Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem andern zu.“ Im Internet folgen dem leider viel zu wenige. Bei Artikeln wie bei Kommentaren.

  16. Aber, aber meine Herren. Herr von Zittwitz hat doch schon klargestellt, dass es um der Sache willen war, also nicht irgedwelche dunklen Motive wie Geldverdienen irgendwie mitspielten. Außerdem hat er auch erläutert, das es nur ein Versehen war. Das widerspricht nun zwar der ersten Entschuldigung, da Versehen ja gerade bedeutet, dass es gar kein Motiv gab, aber was soll’s. Jetzt haben wir zwei so tolle Erklärungen. Da muss jetzt doch mal Ruhe sein. Außer natürlich Herr von Zittwitz möchte gerne noch einige Meter Strick zur späteren asphyxophilen Verwendung erwerben.

  17. Christian von Zittwitz 24. April 2013 at 14:59

    Lieber Herr Haupt,
    liebe übrige Kommentatoren,

    ich habe mir noch einmal alle Kommentare durchgelesen. Und tatsächlich muss ich konstatieren, dass es mir nicht gelungen ist, die richtigen Worte und die angemessene Tonalität für eine angemessene Reaktion zu finden. Daher diesmal von Herzen : Entschuldigung, sowohl für die ursprünglichen Fehler, als auch für weitere nicht ausreichend bedachte Kommentare.

    Viele Grüße aus Meerbusch,
    Ihr
    Christian von Zittwitz

  18. Danke + schon vergessen =)

    Ciao
    Johannes Haupt

  19. Und? Kriegt er jetzt Honorar, der Johannes?