PR einfach selbst gemacht bei Focus Online

26. Juni 2013

PR-Agenturen stehen vor der oftmals schwierigen Aufgabe, ihren Kunden Gehör auf journalistischen Plattformen zu verschaffen. Bei Focus Online (Burda) scheint die Platzierung der Kundenbotschaften mit den richtigen Kontakten hingegen keine Kunst zu sein: Man schreibt die Artikel einfach selbst.

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Focus Online publiziert eine ganze Reihe regelmäßige Kolumnen und Blogs, beispielsweise den exzellenten Netzökonomie-Blog von Holger Schmidt. Deutlich weniger bekannt, aber gleichsam bemerkenswert sind die Kolumnen von Tahssin Asfour. Asfour hat seit Beginn des Monats im Digital-Ressort von Focus Online Artikel zu so unterschiedlichen Themen wie „Gute Gesundheitsportale im Internet„, „Die richtigen Tools fürs digitale Lernen“ und „Wie sie mit dem Handy sparen und abnehmen können“ verfasst, als augenscheinlich ganz normale redaktionelle Arbeiten.

Nun ist Tahssin Asfour im Hauptberuf Gründer und Geschäftsführer der PR-Agentur prBote – und nutzt seine Kolumne fleißig zu aktiver PR-Arbeit. So wird im Handy-App-Artikel das Tool CaloryGuard empfohlen, das auf prBote ganz offen als Kunde ausgewiesen wird. Auch das im Gesundheitsartikel angepriesene 1A Verbraucherprotal („bietet eine umfangreiche Sektion zu den Schwerpunkten Gesundheit und Ernährung“) steht auf der Kundenliste der PR-Agentur, ebenso wie die im E-Learning-Text empfohlene App CoboCards („nutzt ein besonders ausgeklügeltes System“, „wurde für seine innovative Umsetzung ausgezeichnet“).

Man kann Asfour das Dropping seiner Kunden in seiner Kolumne kaum vorwerfen, genau genommen macht er hier schlicht seinen Job. Mindestens verwunderlich aber ist, warum ein journalistisches Medium mit einem gewissen Qualitätsanspruch wie Focus Online einen PR-Menschen eine Kolumne zu Verbraucherthemen schreiben lässt und die Artikel offensichtlich ohne einen auch nur oberflächlichen Check von Interessenkonflikten publiziert. Hinsichtlich der ebenfalls bei Burda angesiedelten deutschen Huffington Post lässt es einen da Angst und Bange werden.

11 responses to PR einfach selbst gemacht bei Focus Online

  1. Ich frage mich schon lange, warum Focus Online noch in der Kategorie Nachrichtenportal geführt wird. Wer Focus Online noch als seriöse Quelle einstuft, braucht dringend Nachhilfe in Medienkompetenz.

  2. Handy und Abnehmen? Ganz einfach. Ich nehme immer ab, wenn es klingelt… ;o)

    Nix Neues, siehe Link. Aber es interessiert auch keinen mehr, was Focus macht.

  3. @DL2MCD Ob „Anzeige“ über einem Artikel steht oder nicht macht aus journalistischer Sicht einen fundamentalen Unterschied, und sei es nur dunkelgrau auf hellgrau :) Und was Focus Online macht interessiert viele – die Medienwelt und nicht zuletzt 66 Millionen Visitors monatlich (IVW Mai 2013).

    • Aus rechtlicher Sicht macht es einen Unterschied. Aus journalistischer ist es so dennoch nicht ganz sauber, weil das Advertorial versucht, wie ein normaler Artikel auszusehen und Lieschen Müller den Unterschied nicht mitbekommt. Und das kann man nicht mal der inserierenden Firma anlasten, sondern nur Focus selbst, wenn sie das so zulassen.

      Aber abgesehen von dem SEO-Sermon ist es nicht neu – mir wurde schon in den 90ern ein „redaktioneller Artikel im Spiegel“ angeboten, woraufhin der Geschäftsführer sofort unser Spiegel-Abonnement kündigte. Das war dann auch ein Advertorial, nur da hat man es den Kunden nicht als solches verkauft.

      Ich habe auch nichts gegen Advertorials, nur im B2B-Bereich wissen die Leute, was das ist, aber der normale Leser? Der sagt nur „stand im Focus“. Der erkennt das nicht als Anzeige.

  4. Mittlerweile steht in den (meisten?) Artikeln von Asfour hinter den jeweiligen Links in Klammern „gehört zu den Kunden des Autors“.

    Ob das die Sache besser macht, sei mal dahingestellt. Aber immerhin hat man beim Focus schon mal reagiert.

  5. Sorry, ich war quasi noch einen Link als „Beweis“ schuldig:
    http://www.focus.de/digital/gastkolumnen/asfour/crowdsourcing-im-internet-wie-firmen-von-der-macht-der-masse-profitieren_aid_984396.html

    Die oben genannten Artikel hat man scheinbar (noch?) nicht dahingehend geändert.

  6. B. wondraschek 27. Juni 2013 at 17:52

    @ mrtlbrmft
    Folgender Hinweis im genannten Link soll gleichbedeutend sein mit “gehört zu den Kunden des Autors”???
    Tahssin Asfour ist Gründer und Geschäftsführer der Berliner PR-Agentur prBote. Seit ihrer Gründung im Oktober 2009 konzentriert sich die Agentur auf den crossmedialen Markenaufbau von überwiegend jungen Startups aus den Bereichen Mobile & Gaming, Internet & IT, aber auch Unternehmen aus weiteren Marktsegmenten. prBote setzt bei der Bekanntmachung der Produkte und Marken auf einen crossmedialen Ansatz. Hierbei werden sowohl Online-, Print- als auch Rundfunkkanäle genutzt.

    • @B. wondraschek:
      Ich habe nie behaupten wollen, dass das gleichbedeutend sei, geschweige denn dass es ausreicht. Ich fand nur man sollte es fairerweise dazu sagen.

  7. @B. wondraschek Nein, das hat Focus Online inzwischen tatsächlich hinter gedroppten Kunden-Namen vermerkt. Ob das konsequent fortgeführt wird, sobald das Rampenlicht (der DJV gab heute dazu sogar eine Pressemitteilung heraus) weg ist, sei einmal dahingestellt.

  8. Solche Beiträge wie dieser von Johannes ist 100x besser als die Werbebeiträge auf Focus.
    Zum Glück gibt es viele gute Alternativen!

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